ZARTGRAU

Seit zwei Wochen

ist Mutti wieder zuhause. Aber es ist nichts mehr so, wie es einmal war. Sie braucht rund um die Uhr Pflege und Betreuung und kann das Bett so gut wie nicht mehr verlassen. Die vielen Tabletten, die sie nehmen muss, setzen ihrem Verdauungstrakt stark zu, sie isst wie ein kleiner Spatz, wird immer schwächer und betet nur noch, endlich sterben zu dürfen. Zurück ins Krankenhaus will sie nicht mehr, da man ihr bei ihrem letzten Aufenthalt nahegelegt hat, ins Pflegeheim zu gehen und sie nun Angst hat, dass man sie nimmer nach Hause entlassen würde, sondern gleich in ein Heim überstellt. Dass man das nicht ohne Einwilligung machen kann, glaubt sie mir nicht und da sicher ist, dass eine weitere Intensivbehandlung keine Besserung oder gar Heilung bewirkt, bleibt sie halt da, wo sie sich am wohlsten fühlt – in ihrem geliebten Häuschen.

Morgens kommt die Hauskrankenpflege, umsorgt sie mit Geduld, viel aufmunterndem Zureden und Verständnis und bringt sie gut in den Tag. Wenn sie dann frisch gewaschen, gecremt und duftend wie ein kleines Baby im Bett liegt, ist sie zwar hundemüde und erschöpft, aber glücklich. Den Rest des Tages kümmer ich mich um sie. Dass das anstrengend wird, habe ich gewusst, aber dass die Pflege eines Angehörigen derart an die Substanz geht, war mir nicht wirklich klar. Nach diesem zwei Wochen gehe ich mehr oder minder am Zahnfleisch spazieren. Zum Einen wird Muttis aktive Mithilfe, wenn sie sich aufsetzen muss oder auf den Toilettenstuhl, immer weniger und 90 kg bewegt man alleine nicht mal grad so, zum Anderen ist da ja auch noch die emotionale Belastung, der eigenen Mutter hilflos beim langsamen körperlichen Verfall zuzusehen.

Schlaf ist derzeit Luxus, die Arbeit reißt nicht ab, es gibt noch viel zu organisieren, obwohl die Versicherung relativ viel an Leistung übernimmt und flott arbeitet. Ab Donnerstag sind wir dann komplett ausgestattet mit einem Krankenbett, das alle Stückerl spielt und die Pflege erleichtern wird. Momentan habe ich also ziemlich viel um die Ohren – trotzdem habe ich geplant, heute zumindest einmal die Winterdeko abzuräumen, denn draußen ist Frühling und die getrockneten Hortensien sollen endlich auf den Kompost….

5 Kommentare

  1. Heide Reiter

    Liebe Gerlinde,
    dein „Nichtschreiben“ hier hat, mich das befürchten lassen.
    Dass deine Mama dankbar ist, dass sie daheim in ihrer vertrauten Umgebung sein darf, kann ich so gut nachvollziehen.
    Gut gemeinte Ratschläge, dass du mit deinen Kräften haushalten solltest, unterlasse ich lieber.
    Geht einfach nicht! Stundenweise Vertretung suchen, dass du Schlaf finden kannst?
    Zu meiner Situation vor 3 Jahren denke ich mir immer wieder, es war mein letzter und größter Liebesbeweis.
    Pflegehilfe habe ich nach 1 Woche wieder storniert, hat außer Unruhe nichts gebracht.
    Meine größte Hilfe war der ärztliche Hospiz Dienst der Caritas. In dieses schweren 9 Wochen kamen sie 40x.
    Oft saß die Ärztin bis zu 3 Stunden bei uns, von ihr habe ich mir sehr viel Kraft geholt und meine
    gelegentliche Unsicherheit mit Schmerzmitteln konnte ich telefonisch abstimmen.

    Daraus hat sich eine besondere Freundschaft bis heute erhalten.

    Verständnisvolle Grüße
    Heide

  2. Thymi

    Das tut mir so leid, Gerlinde! Eine Lösung, die allen gerecht wird, kann es nicht geben, und so wird alles auf Deine Kosten gehen. Kann und will Dir denn Dein Bruder helfen?
    Muss Deine Mutter alle Tabletten ständig weiternehmen oder sind manche nur kurzfristig gedacht? Viele Ärzte im Krankenhaus (soweit ich das sagen kann) neigen ja dazu, ihre Patienten auf ideale Werte einzustellen, die man in der Realität vor allem bei alten Menschen gar nicht erreichen kann.
    Ich wünsche Dir viel Kraft und den Mut, gelegentlich zusammen mit den Tieren ein kleines bißchen Freiraum für Dich zu schaffen.
    Thymi

  3. Elena

    In Gedanken immer wieder bei Dir

    E.

  4. Peggy

    Liebe Gerlinde !
    Ich habs auch befürchtet, dass es so sein könnte, wie es ist, weil so gar nichts von dir gekommen ist.
    Ich wünsche dir, wie auch die Schreiberinnen vor mir, viel Kraft und sende dir all meine guten Gedanken.
    Mach wenigst einmal am Tag einen kleinen Spaziergang, vielleicht bringt dir das ein wenig Kraft.
    Fühl dich gedrückt von mir.
    Peggy

  5. Friederike

    Ich habe ähnliches vermutet wie andere auch. Hoffentlich kannst du dir Hilfe organisieren, wenigstens zeitweise, denn niemandem ist geholfen, wenn du zusammenbrichst. Wenigstens hast du deine Tiere, die dich ein bisschen aufheitern und dich an die frische Luft bringen. Trotzdem wünsche ich dir und deiner Mutter eine innige Zeit miteinander.

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