ZARTGRAU

Gänsebraten

Es gibt da so eine handvoll Gerichte, die einen Großteil der Bevölkerung in schieres Entzücken versetzen, bei mir aber grad ein Mal im Jahr auf den Teller kommen, dann langt es wieder für ein Weilchen.

Gänsebrust

Zu diesen Gerichten gehört eindeutig das gebratene Gansl. Das hat jetzt gar nichts damit zu tun, dass ein Gansl meinen Kindern und mir einmal den Heiligen Abend ganz gewaltig verhaut hat.

Damals hat meine Mutter die Weihnachtsfeiertage bei mir in Wien verbracht und sich am Heiligen Abend einen Gänsebraten gewünscht. Ein riesiges, gut fleischiges, glückliches Weidegansl habe ich beim Händler abgeholt und am Heiligen Abend schon rechtzeitig, damit das Viecherl Zeit hatte, knusprig zart zu werden, in den Ofen gestellt. Knusprig und zart ist es auch geworden, das Gansl und weil es gar so schön war und wunderbar geduftet hat, hat Mütterlein darauf bestanden, den dampfenden Gänsebraten wie er war im Ganzen auf den Tisch zu stellen und erst dort zu tranchieren, was sie natürlich gerne übernehmen wollte.

Und genau in diesem Moment wäre der Zeitpunkt gewesen, an dem ich hätte Widerspruch einlegen müssen. Als sie nämlich eine Geflügelschere verlangte, hat es mir gedämmert, was sie vor hatte, aber da war es schon zu spät. Zuerst wurde einmal der Bauch aufgeschnitten und dann mit glänzenden Augen der Inhalt – sprich Apfel und Kräuterbüscherl – herausgeholt. Bis dahin schauten meine Kinder zwar ein bisserl konsterniert, aber noch gefasst der Omi zu, als dann aber die Schere krachend die Kochen durchtrennte, ist erst einmal meine Tochter kreidebleich geworden und hat heftig zu schlucken angefangen. Die graubraune Masse von Lunge auf der Innenseite der Gans hat dann auch meinen Sohn um den Rest der Fassung gebracht. Gegessen habe beide grad mal einen Semmelknödel und ein bisserl Rotkraut, während Mütterlein überglücklich wegen des guten Gansls war und absolut nicht verstehen konnte, dass die Kinder gar so empfindlich seien. Anstandshalber habe ich ein kleines Stückerl von der Brust mitgegessen, aber geschmeckt hat mir das zertrümmerte Gansl auch nimmer. Noch heute frage ich mich, woher meine Mutter die Kraft genommen hat, denn Ganslknochen zerschneidet man nicht mal grad so.

Seit damals habe ich keine Gans mehr gebraten und ich habe dieses Thema auch tunlichst vermieden. Dann kam in der vorigen Woche die Nachbarin und erzählte, dass sie zum Ganslessen war und das war es dann. Ich musste umgehend ins Städtchen um eine Gans zu kaufen. Was um Himmelswillen, sollten wir zwei mit einer ganzen Gans? Im Geschäft habe ich dann eine Gänsebrust erstanden, einen Kopf Rotkraut, Birnen, Orangen und Mütterlein habe ich kalt angelogen, dass es grad kein ganzes Viech mehr gegeben hätte.

Gänsebrust mit Rotkraut, Semmelknödel und Birne mit Preiselbeeren

Dass ich das Fleisch schon vor dem Servieren vom Brustknochen gelöst habe, hat Mütterlein mir zwar noch nicht verziehen, geschmeckt hat es ihr trotzdem. Aber das ganze Gansl, damals in Wien, das war halt ein richtiges Gansl – eines zum Auseinanderschneiden, wie es sich gehört.

10 Kommentare

  1. Heide

    Deine Speisen könnten in jeder Koch-Hochglanz-Ilustrierten veröffentlicht werden. Spitze!
    Ich hätte mir das jetzt wirklich nicht um 9:00 anschauen sollen.
    Notlügen zu deinem Wohle werden nicht bestraft.
    Eine schönen Tag wünscht
    Heide

    1. Gerlinde (Beitrag Autor)

      Das mit den Fotos ginge noch besser, wenn ich einen Platz mit genügend Licht zur Verfügung hätte, beziehungsweise Zeit und Möglichkeit hätte, das Foto ein wenig zu inszenieren. Das spielt es aber nicht – hinstellen, abdrücken und weg damit – dann braucht Mutti den Platz wieder. Für so einen Firlefanz hat sie absolut kein Verständnis :-)

  2. Hans-Georg

    In einer etwas traurigen Stimmung hat mich dein Weihnachtsgansl aufheitern können. Was mal wieder zeigt, wie entspannend Bloglesen sein kann.

    1. Gerlinde (Beitrag Autor)

      Klar, jetzt im Nachhinein lachen wir auch drüber :-)

  3. Elena

    ..und ich überlege seit Tagen und Wochen, ob ich ein Gansl machen soll oder nicht (Martini und so)..
    Aber ich glaube, NUN muss ich wirklich :-) So köstlich schaut Dein Gebratenes aus!

    Liebe Grüße
    Elena

    1. Gerlinde (Beitrag Autor)

      War irgendwie Fügung, dass ich nur die Brust gekauft habe, weil das Fleisch wirklich schön saftig war. Beim ganzen Gansl habe ich immer das Problem, dass die Brust trocken ist, wenn die Haxerl weich sind und ist die Brust saftig, sind die Haxerl noch hart.

  4. giftigeblonde

    Wunderbar sieht das aus!
    Ich hab ja eine ganze gebraten, aber wir sind auch zu viert.

    Die Weihnachtsgeschichte…ojeoje, aber ich musste trotzdem schmunzeln.

    Uns ist was anderes passiert:
    Auch Weihnachten, ERdäpfelknödel waren geplant.
    Und dafür waren die falschen Erdäpfel im Haus und der falsche Koch oder so.
    Gummi hatten wir statt Erdäpfelknödel gggggg.

    Liebe Grüße!

    1. Gerlinde (Beitrag Autor)

      Das ist schon mal so – irgendetwas ist immer. Aber das gehört dazu.

  5. Lemmie

    Hallo Gerlinde!
    Als ich Kind war, hatten wir jede Menge an Tieren, die natürlich auch gegessen wurden. Ich hatte damit also kein Problem. Nur als es um meinen Lieblingshasen ging, da war ich entsetzt, als ich das abgezogene Fell entdeckte, als ich von der Schule nach Hause kam. Meine Mutter erklärte mir aber, dass der Hase leider gestorben sei. Da wir ja nichts essbares verderben ließen, habe ich natürlich eingesehen, dass wir das Häschen so schnell wie möglich essen mussten ;)
    Lieben Gruß
    Lemmie
    und danke für das Mäuserezept.

    1. Gerlinde (Beitrag Autor)

      Meine Kinder sind eigentlich eh nicht zimperlich, weil sie als Tierarzt-Kinder wissen wo das Essen herkommt. Und wie Tiere von innen aussehen wissen sie auch, weil der OP für sie nicht tabu war, aber bei Tisch wollen sie eben keine Knochen splittern hören etc.

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